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Riders unite: ein Kampfzyklus in der Gig Economy

Protestierende Deliveroo Fahrer_innen

Riders unite: ein Kampfzyklus in der Gig Economy

5 Videos | 2018

Wir werden gerade Zeug_innen eines Prozesses, in dem Unternehmen wie Uber, Deliveroo und Amazon Turk arbeitsrechtlichen Schutz umgehen und das unternehmerische Risiko durch Scheinselbständigkeit, "Gig Economy", Plattform- und Crowd Arbeit auf die Schultern von Arbeiter_innen abladen.

Essenszusteller_innen, die für Deliveroo, Foodora und Uber Eats arbeiten, stehen an vorderster Front im Kampf gegen die Ausbereitung prekärer Arbeit in der Gig Economy. In den letzten beiden Jahren haben sich ihre Kampagnen für bessere Arbeitsbedingungen international und über Kontinente hinweg ausgebreitet.

Mit irregulären Arbeitszeiten, einer fragmentierten Arbeitskraft, hoher Fluktuation und der ständigen Gefahr entlassen zu werden, organisieren sich diese Rider unter besonders schwierigen Bedingungen. Angesichts dieser Herausforderungen haben sie jedoch neue Wege gefunden ihre Kampagnen voranzubringen, durch direkte Aktionen, Petitionen, Streikposten vor Restaurants und Wilde Streiks. Manche dieser Aktionen hatten durchschlagenden Erfolg und brachten wichtige Ergebnisse.

Zum ersten Mal explodierte die Deliveroo Organisierungskampagne in den Medien im August 2016, als ca. 200 Rider in London einen sieben Tage andauernden Wilden Streik begannen. Der Streik wurde von der unabhängigen Gewerkschaft IWGB unterstützt. Auslöser war die Ankündigung, dass die Bezahlung von Stundenlohn auf einen Stücklohn pro Zustellung umgestellt werden sollte. Der Streik zwang das Unternehmen, den Fahrer_innen zuzuhören, zu einem Lohn pro Stunde zurückzukehren und zusätzlich 1 Pfund pro Zustellung zu bezahlen. Das war ein Beispiel dafür, wie selbständige Fahrer_innen ohne arbeitsrechtlichen Schutz sich gegen ihren Arbeitgeber durchsetzen können, wenn sie kollektiv vorgehen, und es war Anlass für andere Fahrer_innen in anderen Städten, ihrem Beispiel zu folgen.

Wir machen ihre Profite

Nach der Kampagne in London mobilisierten sich Fahrer_innen in Brighton. Sie organisierten diverse Streiks und Aktionen, u.a. eine Unterschriftensammlung von Restaurantbetreiber_innen, die die Kampagne “Deliver a living wage” ("Her mit einem existenzsichernden Lohn") unterstützten, wie man im folgenden Video sehen kann.

Viele von ihnen sind in der IWGB-Gewerkschaft organisiert, aber auch Nichtmitglieder haben sich an dem Kampf beteiligt. 

Alles was wir wollen, ist fair bezahlt zu werden.

Die Rider in Brighton forderten eine Lohnerhöhung von 4 Pfund auf 5 Pfund pro Zustellung und einen Einstellungsstopp für neue Fahrer_innen, da es zu wenig Bestellungen gab. Sie erreichten einen Einstellungsstopp im Februar 2017, aber ihre anderen Forderungen wurden nicht erfüllt. Im November 2017 organisierten sie einen Wilden Streik ohne die Gewerkschaft und schafften es, die Zustellung für mehrere Stunden zu unterbrechen. In Bristol und Leeds organisierten sich die Fahrer_innen zusammen mit der IWW und begannen, unterstützt von der Solidaritätsgruppe Plan C, das Nachrichtenbulletin “Rebel Roo” herauszugeben.

In Deutschland kämpfen sowohl Deliveroo als auch Foodora Fahrer_innen seit 2016 für bessere Arbeitsbedingungen. In Berlin gab es Aktionen mit über 100 Fahrer_innen als Teil der Deliverunion Kampagne mit der Gewerkschaft FAU. Foodora Rider, die nach Stunden bezahlt werden, aber selber für ihre Ausrüstung aufkommen müssen, haben Log-Outs und mehrere direkte Aktionen organisiert. ("Log-Out" bedeutet, dass sich viele Fahrer_innen gleichzeitig aus der Software, über die die Aufträge vergeben werden, ausloggen und so den Lieferservice lahmlegen oder beeinträchtigen.) 

Im Januar 2018 haben sie eine Demo vor den Büros von Delivery Hero, der Mutterfirma von Foodora, organisiert, um dagegen zu protestieren, dass sie die Reparaturen ihrer Fahrräder selber bezahlen müssen. Einen Tag vor der Demonstration kündigte Foodora einen neuen Reparaturplan für die Fahrer_innen an: sie würden pro Arbeitsstunde 25 Cent extra für Reparaturkosten bekommen. Das wären höchstens 5 Cent pro Kilometer und maximal 42 Euro im Monat für Vollzeit Fahrer_innen, - viel zu wenig, um Ersatzteile, geschweige denn für die Reparatur selbst zu bezahlen. Die FAU fordert 35 Cent pro Kilometer, also das Siebenfache dessen was Foodora angeboten hat.

Einige von euch könnten locker ihr Fahrad komplett auf diesen Haufen werfen, runtergefahren wie es ist.

2018 haben die Deliveroo Rider in Berlin eine Petition mit vier Forderungen gestartet: 

- bezahlte Wartezeit (4€ für jede halbe Stunde ohne Auftrag)
- Übernahme der Kosten für die obligatorische Unfallversicherung
- erstattung der Kosten für die Fahrradteile (0,35€/km)
- progressive Anhebung der Löhne für die Fahrer_innen (0,50€ pro Stunde mehr nach 3, 6 und 12 Monaten Arbeit für  Deliveroo)

Sie sammelten mehr als 150 Unterschriften von Fahrer_innen und im April 2018 überbrachten sie die Petition an das derliveroo Büro - in einer Pizzaschachtel. Das Management hat die Forderungen ignoriert und einfach eine Email an alle Rider geschickt mit der Aufforderungen, ihre Anmerkungen individuell vorzubringen. Sie weigern sich einer von ihnen so genannten "dritten Partei" zuzuhören. Am Tag nach der Übergabe der Petition wurde ein Sicherheitsdienst vor den Büros postiert, um "die Sicherheit zu erhöhen, die (den Fahrer_innen) zusteht" (wie es in einer Mail formuliert wurde). Um dagegen zu protestieren, organisierten Fahrer_innen Ende April einen  “Log-Out” in einer Zone in Berlin Mitte, der den Service beeinträchtigte. Sie haben einen Blog eingerichtet um zukünftige Log Outs anzukündigen. 

Internatinal haben Fahrer_innen neben Streiks und Aktionen auch versucht die Rechtmäßigkeit ihrer Arbeitsbedingungen zu hinterfragen indem sie das Unternehmen verklagt haben. Dies geschah vor allem wenn Fahrer_innen gefeuert worden waren, weil sie sich organisiert hatten. In Bologna hörten Fahrer_innen, die gerade an der ersten landesweiten Versammlung von organisierten Fahrer_innen in Italien teilnahmen mit Erstaunen, dass ein Gericht in Turin entschieden hatte, dass Foodora Fahrer_innen als selbständig anzusehen sind.

Es ist klar, dass der Weg über die Gerichte nicht der einzige ist. Der Beweis dafür ist diese Versammlung.

Dennoch gab es auch erfolgreiche Klagen gegen Zustelldienste. In Belgien hat die Verwaltungskommission für die Regelung der Arbeitsbeziehungen im März 2018 entschieden, dass Deliveroo Fahrer_innen nach belgischem Recht als Arbeitehmer_innen anzusehen sind. Ähnlich haben die Arbeitsinspektorate von Valencia und Madrid festgestellt, dass Deliveroo und Glovo Arbeiter_innen in einem abhängigen Verhältnis zu den Platform Unternehmen stehen und dass sie daher als Arbeitnehmer_innen anzusehen sind. 

Im Vereinigten Königreich verklagt gegenwärtig eine Gruppe von Fahrer_innen (mit Unterstützung der IWGB) Deliveroo vor dem Obergericht in London und versucht damit, eine Entscheidung des Central Arbitration Committees aufheben zu lassen, das die Rider als selbständig eingestuft hatte. Die Gewerkschaft startete sogar eine Crowdfunding Kampagne, um Geld für das Gerichtsverfahren zu sammeln. Ende Juni 2018 bekamen dann 50 Deliveroo Fahrer_innen eine sechsstellige Abfindungssumme als Vergleich von Deliveroo, weil das Unternehmen wusste, dass es das Verfahren zur Feststellung des Arbeitsverhältnisses wahrscheinlich verlieren würde.

Manche entlassene Fahrer_innen haben auch nach Möglichkeiten gesucht, ihr eigenes Unternehmen zu gründen, um weiter als Fahrer_innen, aber unter faireren Bedingungen, arbeiten zu können. So haben Rider in Spanien begonnen, ihre eigene, kooperative Version der Deliveroo App in Barcelona zu starten. Andere versuchen die “Coop-Cycle” App in Belgien und der BRD zu verwenden. Diese Zustell Plattformen in gemeinsamem Besitz könnten eine sinnvolle Alternative zu Foodora, Deliveroo, Uber Eats etc. bieten: die Profite würden an diejenigen fließen, die die App tatsächlich betreiben, die Arbeiter_innen hätten bessere Bedingungen, sichere Verträge, Kranken- und Urlaubsgeld und vor allem: Respekt. Gemeinsamer Besitz würde nicht nur bedeuten, dass die Profite geteilt werden, sondern auch, dass die Arbeiter_innen das Betreiben der App demokratisch mitbestimmen könnten und dadurch mehr Autonomie hättten, um über ihren Arbeitsalltag zu entscheiden.

Wir werden Ihre Bestellungen bringen und dafür sorgen, dass die Rechte der Rider respektiert werden!

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