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Kämpfe im Gesundheitsbereich

Nous sommes Charité Demo in Mainz am 9. September 2017

Kämpfe im Gesundheitsbereich

10 videos | 2018

Seit Jahren kämpfen Beschäftigte in deutschen Krankenhäusern für bessere Bedingungen und mehr Personal. Nachdem an der Berliner Charité im Juni 2015 erstmals in einem deutschen Krankenhaus verbindliche Personalvorgaben durchgesetzt wurden, nahmen 2017/18 die Kämpfe um mehr Personal im Krankenhaus, aber auch in der Altenpflege unter Slogans wie "Pflegekräfte in Not" und "Der Pflegeaufstand beginnt" immer mehr Fahrt auf. Landesweit fanden Warnstreiks und Mobilisierungen statt.

Grund für die Streiks und Proteste ist v.a. die immer härtere Arbeitsverdichtung in der Pflege - mit großen regionalen Unterschieden. 

Die Kolleg_innen an der Berliner Charité traten im Juni 2015, nach jahrelangen erfolglosen Verhandlungen, in einen 11tägigen Vollstreik, um dem eklatanten Personalmangel und der krankmachenden Arbeitsverdichtung auf den Stationen ein Ende zu machen.

Der Streik, der der Charité pro Tag 500.000 Euro gekostet hat, war aus mehren Gründen bemerkenswert. Zunächst, weil es den Beschäftigten gelungen war, mit Zustimmung der Patient_innen 1/3 der Betten zu bestreiken, aber auch, weil sie es geschafft hatten, einen Entlastungstarifvertrag zu erkämpfen, in dem Personalvorgaben festgelegt wurden. Dies wurde bundesweit als wichtiger Sieg wahrgenommen.

Zwei wichtige Voraussetzungen für den Streik von 2015 waren die Tatsache, dass eine Notdienstvereinbarung mit der Charité abgeschlossen wurde und dass es Tarifberater_innen gab. In diesem Mobilisierungsvideo wird sowohl das eine als auch das andere erklärt.

Einziger Schönheitsfehler des Abschlusses 2016: der Tarifvertrag sah keinerlei Sanktionsmöglichkeiten vor für den Fall, dass der Arbeitgeber diese  Vorgaben nicht einhielt. Und tatsächlich gibt es bis heute für die Kolleg_innen keine spürbare Entlastung.

Im folgenden Interview bedauert ein Pfleger das Abweichen von den ursprünglichen Forderungen "1:2, 1:5 und keine Nacht allein", mit denen die Belegschaft in den Streik gegangen war. 

Wir haben im März 2017 mit ver.di Sekretär Kalle Kunkel über die Vorgeschichte den Verlauf und die Ergebnisse des Streiks gesprochen, und darüber wie es jetzt, nachdem der Tarifvertrag von 2016 nicht verlängert wurde, weitergeht.

Man ist immer davon ausgegangen, die Ärzteschaft ist eine zentrale Berufsgruppe, wenn die wollen, dann können sie den Laden mit relativ wenig Leuten lahmlegen. - Eine selbstbewußte Pflege kann das genauso.

Die Charité wurde unmittelbar vor der Bundestagswahl im September 2017 für 5 Tage bestreikt. Danach wurde der Streik abrupt abgebrochen und ver.di nahm Verhandlungen über eine gemeinsame Kommentierung des Tarifvertrages auf. In der Kommentierung sollen Konsequenzen festgelegt werden, falls der Arbeitgeber die Vorgaben des Tarifvertrages weiterhin nicht umsetzt. 

Die Beschäftigten an den Berliner Krankenhäusern kämpfen auch gegen die  Spaltungspolitik des Senates, der sogenannte "patientenferne Dienstleistungen" wie Krankentransport, Essen, Logistik, Gebäudereinigung, Sterilisierung in Unternehmen wie die "Charité Facility Management" (CFM) oder die "Vivantes Service Group" (VSG) ausgelagert hat, um Personalkosten zu sparen. In Fall der CFM kriegen die Kolleg_innen bis zu 40% weniger Lohn als ihr direkt bei der Charité angestellten Kolleg_innen. Der Widerstand gegen diese Tarifflucht hält seit 10 Jahren an. Unter dem Slogan "Aufstand der Töchter" fordern die Beschäftigten unbefristete Verträge und Bezahlung nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes TVöD.

Es gilt aber auch noch viele andere Mißstände zu beseitigen: 

Wir müssen nachhaken, bzw. betteln, dass wir überhaupt unser Auto desinfizieren können,

erzählt etwa ein bei CFM Beschäftigter in dem folgenden Video über einen 10tägigen Streik im Mai 2017.

In einer ähnlichen Situation sind die Kolleg_innen der Vivantes Service GmbH (VSG), einer der vielen Tochtergesellschaften von Vivantes. Sie arbeiten im Patientenbegleitservice, in der Logistik  oder in der Sterilgutaufbereitung und bekommen ebenfalls viel weniger Geld als ihre Kolleg_innen, die dieselbe Arbeit machen. Seit 2 Jahren kämpfen sie um die Aufnahme in den Tarifvertrag öffentlicher Dienst. (TVöD).

In einem Versuch die streikende Belegschaft zu spalten, hatte die Geschäftsführung der VSG den Kolleg_innen der Sterilisationsabteilung ein großzügiges Angebot gemacht. Diese haben es jedoch aus Solidarität mit den anderen streikenden Kolleg_innen abgelehnt. - Sie kämpfen weiter.

Sowohl die Arbeitsverdichtung und der Stellenabbau als auch das Outsourcing hat seine Ursachen in der Ökonomisierung des Gesundheitswesens seit den 1980er Jahren. Wir haben Gewerkschaftssekretär Kalle Kunkel gebeten, diese Entwicklung, also die Umgestaltung des öffentlichen Krankenhäuser zu profitorientierten Unternehmen, näher zu beschreiben.

1997 wurden endgültig alle Formen von Personalvorgaben in den Krankenhäusern abgeschafft.

Die Bewegung für mehr Personal im Krankenhaus ist gut vernetzt und agiert bundesweit im Austausch untereinander. In Berlin hat sich etwa ein Unterstützungsbündnis gegründet: "Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus". Nachdem bisher weder die Streiks an der Charité, noch die bundesweite Aktion "Tarifvertrag Entlastung", in deren Rahmen ver.di "ein Prozent der Kliniken zur Tarifverhandlungen auffordern" will, bisher den gewünschten Erfolg gebracht haben, hat das Bündnis nun einen Gesetzentwurf geschrieben, in dem für Berlin Mindestpersonalgrenzen für die Pflege im Krankenhaus festgeschrieben werden.

Seit August 2017 gibt es auch in Bremen ein Pflegebündnis. Gegründet wurde es von Ariane Müller, die seit 43 Jahren im Krankenhaus arbeitet. Sie ist davon überzeugt, dass es nötig ist, bundesweit zu streiken. 

Wichtig ist, dass wir uns bundesweit vernetzen, und ich persönlich bin mir sicher, dass wir es nicht mit einfachen Forderungen erreichen, indem wir an bestimmte Stellen, z.B. hier in Bremen an den Bremer Senat, appellieren, sondern wir müssen Druck erzeugen. Und in meinen Augen geht das nur, wenn wir flächendeckend, auch bundesweit Streiks organisieren. Nur diese Sprache versteh'n se.

Streiks durchzusetzen stellt sich jedoch für viele Belegschaften als schwierig dar. So wurden viele streikbereite Häuser nicht aufgerufen, im Herbst 2017 Teil der bundesweiten Tarifkampagne Entlastung zu sein, u.a. fünf streikbereite Häuser des Berliner Vivantes Konzerns.

Noch dramatischer war die Entwicklung im Helios Amper Klinikum Dachau. Dort hatten 97,6%  der gewerkschaftlich organisierten Kolleg_innen für einen Durchsetzungsstreik gestimmt, um ihre katastrophalen Arbeitsbedingungen zu verbessern. Der Streiks wurde vom Arbeitsgericht verboten. Statt einen neuen Streiktermin durchzusetzen, ließ sich ver.di bzw. die Tarifkommission auf Verhandlungen hinter verschlossenen Türen ein. Das Ergebnis: ein Tarifabschluss, der zwar mehr Geld, aber keine Entlastung bringt. 

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