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Streikrecht ist Menschenrecht

Streikrecht ist Menschenrecht

Das Versprechen des Kapitalismus, dass unsere Anstrengungen in der Zukunft Wohlstand für alle bringen, ist längst als Märchen zu unserer Beruhigung erkannt. Wir sollen uns mit den gegebenen Verhältnissen im aktuellen Wirtschaftsmodell abfinden, die Wachstums- und Steigerungslogik ist das Ende der Geschichte. Die von beständig auftretenden Krisen flankierte Ausbeutung von Mensch und Natur zugunsten der Profite Weniger soll als alternativlos wahrgenommen werden.

Der Bereich der Arbeit ist in diesem ideologischen Spiel zentral. Im seit Jahrzehnten anhaltenden Klassenkampf, der hauptsächlich von oben geführt wird, ist ein Ungleichgewicht noch nie dagewesenen Ausmaßes hergestellt worden: Trotz beständiger Produktivitätssteigerung verhandeln die Gewerkschaften seit Jahren Reallohnverluste, wie der ver.di-Abschluss vom Wochenende wieder einmal zeigt, substanzielle Arbeitszeitverkürzungen für breite Gesellschaftsschichten werden nicht wirklich diskutiert, Outsourcing und Zeitarbeit bleiben gängige Praxis. Die Rede von der Sozialpartnerschaft wird damit immer mehr zur Farce, außerhalb des immer weiter geschrumpften Bereichs der gewerkschaftlichen Organisation sieht es noch düsterer aus, während die Konzerne Rekordgewinne für das oberste Prozent machen.

Diese Unternehmen verkaufen sich als grün, rufen gemeinsam mit der Politik einen Green New Deal aus, pseudokritische Parteien wie die Grünen reden von einer »sozial-ökologischen« Marktwirtschaft und helfen damit nur bei der Zementierung des gegenwärtigen Zustands mit. Die einfache Einsicht, dass der Kapitalismus seiner Natur nach weder sozial noch nachhaltig sein kann, wird in keiner unserer Institutionen ernsthaft vertreten. Wie die Fälle der Gorillas-Mitarbeitenden und auch der ecoCARRIER zeigen, die in einem Subunternehmen das Greenwashing für Rewe unter schlechten Arbeitsbedingungen voranbringen sollten und dann gefeuert wurden, hilft auch der Staat bei der Unterwerfung unter das Diktat der Lohnarbeit und Ware kräftig mit, indem er die Verteidigungsmittel gegen den neoliberalen Marktradikalismus auf regulatorischer Ebene von vornherein stark beschneidet.

In dieser Lage ist ziviler Ungehorsam und Widerstand geboten. Wir von der Letzten Generation wollen eine Massenbewegung mit breitem gesellschaftlichem Rückhalt aufbauen und sind nicht mehr bereit, den verfassungs- und menschenrechtswidrigen Fatalismus der Herrschenden zu akzeptieren, die uns unter Beibehaltung des bisherigen Systems ungebremst in die Klimakrise fahren lassen. Die Klimabewegung muss dabei Themen der Arbeit miteinbeziehen, so wie die Arbeiter:innenbewegung Klimafragen miteinbeziehen muss. Wir müssen uns als verschiedene Stränge einer gemeinsamen zivilgesellschaftlichen Bewegung gegen ein ökonomisch-politisches System verstehen, das aus den Fugen geraten ist und unsere Lebensgrundlagen schrittweise zerstört.

Die Streikmacht ist dabei ein zentrales Element, das sich die Arbeiter:innen in Gestalt der Gorillas-Beschäftigten zurückholen und das restriktive deutsche Streikrecht, das aus der düstersten deutschen Tradition stammt, aufbrechen wollen. Mit einer anderen Rechtsprechung, die durch solche und ähnliche Aktionen herbeigeführt wird, können wir einem Kräftegleichgewicht wieder näherkommen und uns in Zukunft auch in Form von weiteren Klimastreiks und vielen anderen Aktionen besser gegen die Ausbeutung zur Wehr setzen. Dafür braucht es Beharrlichkeit und demokratische Vielstimmigkeit bei einem hohen Organisationsgrad. Die Interessen der Arbeitenden und der Klimaaktivisti sind dabei letztlich deckungsgleich: Wirtschaft und Gesellschaft müssen gerechter, postdemokratische Politiken der vermeintlichen Sachzwänge als solche benannt und beendet werden und die natürlichen Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen erhalten bleiben.

Der US-amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King, eines unserer Vorbilder für den zivilen Widerstand der Letzten Generation, stellte im Jahr 1968 für die USA fest:

»In diesem Land gibt es Sozialismus für die Reichen und erbarmungslosen Individualismus für die Armen«

Ich finde, dass diese Diagnose ohne Weiteres auf die Gegenwart und so ziemlich jede Gesellschaft der Welt anwendbar ist. Hierzulande sind Bail-outs in nahezu beliebiger Höhe für Finanzunternehmen möglich und die Politik hält den Energiekonzern RWE für zu mächtig, als dass sie das Abbaggern ganzer Landstriche verhindern könnte, während die Armen und Andersdenkenden der gnadenlosen Repression von JobCenter, Polizei und Knast ausgesetzt sind. Lasst uns diese gesellschaftlichen Trennungen überwinden und eine gerechtere und wirklich nachhaltige Gesellschaft aufbauen. Lasst uns gemeinsam streiken.

Deshalb: Solidarität mit den Entlassenen bei Gorillas! Solidarität mit allen Streikenden und Solidarität mit der Arbeiter:innenbewegung!

 

Redebeitrag der Letzen Generation, 25. April 2023 vor dem Arbeitsgericht Berlin

 

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