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Die Proteste in Bosnien-Herzegowina im Februar 2014

Fünf Dita Arbeiter_innen vor der Fabrik, die sie bewachen, damit die Maschinen nicht abtransportiert werden

Die Proteste in Bosnien-Herzegowina im Februar 2014

5 Videos | 2014

Im Februar 2014 waren wir in Bosnien-Herzegowina, um über die massiven Proteste zu berichten, die im Land ausgebrochen waren.

Die Proteste begannen, als die Arbeiter_innen verschiedener privatisierter Fabriken bei einer Demonstration am 5. Februar von der Polizei attackiert wurden. Seit Jahren hatten die Arbeiter_innen jede Woche für die Bezahlung ihrer ausstehenden Löhne und Sozialabgaben demonstriert, jedesmal ohne Erfolg. Die Produktion in diesen Fabriken ist seit langem eingestellt und die Fabrikbesitzer nutzen ihren Besitz im wesentlichen zum Geldwaschen. In diesem Kontext waren die Aktionen der Arbeiter_innen (Streiks, Besetzungen, sogar Hungerstreiks) seit Jahren vollkommen erfolglos geblieben. 

Diese Kriminellen verstehen nicht die Sprache friedlichen Protests.

Aber als diese Arbeiter_innen im Februar 2014 während einer ihrer Demonstrationen von der Polizei attackiert wurden, stellten sich viele Teile der Bevölkerung von Tusla auf ihre Seite: Arbeitslose, Rentner_innen, Student_innen stürmten am 7. Februar zusammen das Regierungsgebäude des Kantons Tusla und steckten es in Brand. Gleichzeitig versammelten sich Menschen vor dem Regierungsgebäude in Sarajevo, um ihre Solidarität zu zeigen. Als sie von der Polizei attackiert wurden, rächten sie sich und am selben Tag stand auch das Regierungsgebäude von Sarajevo in Flammen. 

Indem sie die ethnischen Trennungen zurückwiesen, die ihnen während des Krieges 1992 bis 1995 aufgezwungen worden waren, vereinten sich  Bosniak_innen, Kroat_innen und Serb_innen, um gegen eine korrupte Regierung zu kämpfen und gegen soziale Bedingungen, die durch Armut, niedrige Löhne und hohe Arbeitslosigkeit gekennzeichnet sind. 

Dies sind die besten Aufstände,  die ich in Bosnia-Herzegowina je erlebt habe!

Während die Proteste auf den Straßen stattfanden, fingen Leute in Tusla, Sarajevo, Mostar und kleineren Städten an, sich in Versammlungen zu organisieren, die "Plena" genannt wurden und diskutierten ihre Forderungen. Wir haben verschiedene Videos, die solche Plena in Tuzla und Sarajewo zusammenfassen, deutsch und englisch untertitelt, um einen Eindruck von der Atmosphäre und dem Inhalt der Diskussionen zu vermitteln.

Aber eine neue Regierung wird uns nichts bringen, sie wird uns von einem Käfig zum nächsten führen, wie im Rest der Welt.

Was passierte seitdem?

Die Proteste hielten an bis zum Mai 2014, wurden aber immer kleiner bis sie ganz aufhörten. Die Plena wurden langsam weniger populär und hörten nach einigen Monaten ebenfalls auf. Wir konnte das passieren? Wir sollten erwähnen, dass die örtliche Trennung zwischen den Protestierenden und den Plena (die letzteren fanden in Gebäuden statt und nicht auf der Straße) war bereits ein Faktor, der zu der Isolation und der Entfremdung vom Rest der Protestierenden beigetragen hat. Es ist auch schade, dass die Plena darauf fokussiert waren, Forderungen an einen Staat zu formulieren, den sie immer noch als gültigen Gesprächsparter ansahen, während die Protestierenden des 7. Februar klar gezeigt hatten, dass sie nicht mehr länger etwas von der ganzen politischen Klasse in Bosnien-Herzegowina erwarteten. Gleichzeitig fanden sich viele Menschen in einer noch schlechteren materiellen Situation wieder, nachdem das Land im Mai 2014 von der schlimmsten Flut seit Beginn der Aufzeichungen vor 120 Jahren heimgesucht wurde.  

Im Oktober 2014, ein paar Tage nach dem Wahlen, hat das Videokollektiv Year01 die Arbeiter_innen in Tusla getroffen, um herauszufinden, ob ihre Situation sich seit den Protesten vom Februar 2014 verbessert habe. Das Video umfaßt Filmmaterial einer Aktion, die im Dezember 2014 stattgefunden hat, als die Arbeiter_innen beschlossen hatten, eine symbolische Wanderung zu kroatischen Grenze zu machen, um in der EU um Asyl anzusuchen, um zu zeigen, wie wenig sie von den Institutionen in Bosnien Herzegowina erwarteten und um gegen ihre Situation zu protestieren.  

Wir sind frech geworden. Man muss frech werden, um Erfolg zu haben.

Anfang 2015 beschloss die Kantonsregierung von Tusla, den Privatisierungsprozess verschiedener Unternehmen, unter anderem von Dita, zu revidieren, und leitete eine Insolvenzverfahren ein. Wie immer bei diesen Vorgängen waren die Arbeiter_innen die letzten auf der Prioritätenliste. Die "Investoren" und die bürokratischen Institutionen werden zuerst ausgezahlt, Löhne und Renten zuletzt, falls noch etwas übrig war. 

Seitdem organisieren sich die Dita Arbeiter_innen, um einen Teil ihrer Produktion wieder in Gang zu setzen und verwenden dabei Material, das in der Fabrik zurückgelassen wurde. Im Juni 2015 sind die "Gewerkschaft der Dita Arbeiter_innen"  und der Konkursverwalter übereingekommen, einige der Produktionslinien wieder in Gang zu setzen. Es wird sich zeigen, ob dies ein gangbarer Weg ist, da das meiste Material und die meisten Maschinen in der Fabrik überholt werden müssen und die Arbeiter_innen wenig Möglichkeiten haben zu investieren. Dennoch haben viele Aktivist_innen in Bosnien ihre Solidarität mit der Initiative bekundet und für die Arbeiter_innen ist es ein wichtig, zu sehen, dass die Produktion wieder anläuft. Das erhöht ihre Chancen, ihre Jobs zu behalten und irgendwann einen regulären Lohn zu haben. 

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